Gebäude virtuell sehen: Augmented Reality im Bau

Forschungsprojekt „OptiPaRef“ integriert die Technologie der erweiterten Realität im Holzhandwerk – Projektstart am 1. Juni

Holzbauten werden heute mithilfe digitaler Programme dreidimensional am Computer entworfen, doch für die Baustelle werden diese digitalen Simulationen ausgedruckt und somit wieder in zweidimensionales Papier umgewandelt. Ein unnötiger Arbeitsschritt, bei dem Informationen verloren gehen – davon ist die Forschungsgruppe FLEX der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) überzeugt. In ihrem neuen Forschungsprojekt „OptiPaRef“ setzt sie sich zum Ziel, auch die Montage mithilfe dreidimensionaler Pläne umzusetzen.

Vom 1. Juni 2021 bis zum 31. November 2022 erforschen die Wissenschaftler der HTWK Leipzig gemeinsam mit Experten aus der Praxis, dem Dienstleister für Building Information Modeling BCS CAD+IT und dem Handwerksunternehmen Holzbau Lepski aus Dresden, wie die Anwendung der Datenbrille technologisch umgesetzt werden kann, damit komplexe, dreidimensionale Montageinformationen aus der Planung, präzise komprimiert direkt in die Vorfertigungshalle übertragen werden. Der Name „OptiPaRef“ steht für „optisch parametrische Bauteilreferenzierung“. Finanziert wird das Forschungsprojekt durch das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI).

So helfen die Datenbrillen bei der Montage

Männliche Person mit dunklen Haaren, die eine Datenbrille trägt.

Die Forscher nutzen Datenbrillen für sogenannte Augmented Reality, einer Technologie, die die visuelle Realität um virtuelle Darstellungen erweitert. Wer diese technischen Brillen trägt, sieht zusätzlich zum normalen Sichtfeld virtuell eingeblendete Informationen. Damit können Zimmerleute die dreidimensionalen Montagepläne direkt vor Ort genau dorthin projizieren, wo das Gebäude später stehen soll. Auch einzelne Arbeitsschritte der Montage sollen durch die Datenbrille zu sehen sein – beispielsweise könnten virtuelle grüne Punkte auf Holzbrettern überall dort aufleuchten, wo der Zimmermann ein Loch bohren soll. Vorstellbar ist auch, dass der Brillenträger per Handgesten die Datenbrille bedient und so durch die jeweiligen Arbeitsschritte und Pläne blättert. Mit der Datenbrille, die mit dem Umfang einer hochwertigen Arbeitsschutzbrille vergleichbar ist, können sich die Zimmerleute jederzeit frei in der Werkhalle bewegen.

Felix Schmidt-Kleespies, Projektverantwortlicher der Forschungsgruppe, sieht ein enormes wirtschaftliches Potenzial in der Digitalisierung der Montage:

„OptiPaRef ist ein innovativer und hochgradig anspruchsvoller Ansatz für ein völlig neues Planungsmodell im Holzbau. Für Holzbauunternehmen bedeutet das einen Mehrwert zum Anfassen – ein eher seltener Effekt der digitalen Transformation des Baugeschehens.“

Vorteile der Montage mit Datenbrillen

In der Werkhalle müssen die Zimmerleute bisher zahlreiche Geometrie- und Materialangaben gedanklich aus der Zeichnung in die Konstruktion übertragen. Dabei ist es notwendig, diese mehrfach zu prüfen und beispielsweise Achsabstände zu messen, um jeden Balken exakt zu positionieren – ein zeit- und kostenintensiver Prozess. Die Defizite der bisherigen Informationskette am Übergang von digitaler Werkplanung zu handwerklicher Ausführung werden mit der neuen Methode eliminiert. Das Bauen selbst soll mithilfe der Technologie schneller und weniger fehleranfällig werden. Zeitintensive Prozesse mit hohem Wiederholungsfaktor sollen vereinfacht und komplexe Planungsinformationen kontextabhängig und papierlos angezeigt werden. Somit können kleine und mittlere Holzbauunternehmen ihre Produktionsabläufe optimieren, ohne sich mit umfangreichen Investitionen in automatisierte Fertigungstechnik einem erhöhten finanziellen Risiko auszusetzen.

Darstellung der Funktion einer Datenbrille mit HoloLens. ausgehend von der Brille führen rote Linien zu den abgebildeten Fensterstrukturen.

Bauen mit Holzrahmen – wachsende Nachfrage

Das Forschungsprojekt setzt die Digitalisierung der Montage beim Bauen mit Holzrahmen um – eine weiterentwickelte, moderne Form des Fachwerkbaus. Mit der Holzrahmenbauweise können kleine und mittlere Unternehmen Wandelemente in handwerklicher Produktion auch ohne große maschinelle Ausstattung herstellen. Die Arbeitsschritte wiederholen sich häufig und sind aufwändig. Einzeln auf Länge zugeschnittene Hölzer werden dabei individuell positioniert, durch Nägel oder Schrauben miteinander verbunden und anschließend mit Holzwerkstoff- oder Gipskartonplatten verschlossen.

Das Interesse am nachhaltigen Baustoff Holz steigt spürbar. Bauherren können mit Holz ressourceneffizient bauen und sparen dank des hohen Vorfertigungsgrads von Holzrahmen auf der Baustelle Zeit und Kosten. Vor dem Hintergrund eines steigenden Preisdrucks, dem schwachen Arbeitsmarkt im Handwerkssektor und dem stetig wachsenden Bedarf an Holzfertigteilen sind Unternehmen gezwungen, ihre Arbeitseffizienz zu steigern. Innovative Lösungen sind daher gefragt.

Die Forschungsgruppe FLEX (Forschung. Lehre. Experiment) arbeitet disziplin-, werkstoff- und technologieübergreifend an innovativen Lösungen an der Schnittstelle von Architektur, Bau- und Informationstechnik. Stark praxisorientiert, stehen dabei digital basierte Strategien für ressourceneffiziente Konstruktionen sowie die zugehörigen Planungs- und Fertigungsprozesse im Fokus des Interesses von Architektur- und Baufachleuten sowie Wirtschaftsingenieuren und -ingenieurinnen. FLEX ist Mitglied im Co-Creation Lab „Additive Fertigung“.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf den Seiten zur Forschung der HTWK-Leipzig.

veröffentlicht am 16.12.2021,

Veröffentlichungsdatum

16.12.2021

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