Saxony⁵ Erfolgsprojekt: Wie Künstliche Intelligenz zur Qualitätssicherung im Verpackungsprozess beitragen kann

Zusammenarbeit zwischen der HTW Dresden und der EPL Deutschland GmbH & Co. KG im Rahmen des Co-Creation Labs „Fabrik der Zukunft“

Man findet sie in jedem heimischen Bad und sie ist aus dem Alltag kaum wegzudenken – die Zahnpastatube. EPL Deutschland hat es sich zur Aufgabe gemacht, einzigartige Verpackungslösungen mit nachhaltigen Rohstoffen für u.a. die Mundhygiene herzustellen. Damit ist die EPL ein kleiner Teil der Wertschöpfung auf dem Weg der Zahnpasta ins heimische Bad.

Das korrekte Verpacken der hergestellten Kunststofftuben ist dabei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Kunden. Fehler in der Prozesskette des Verpackens wie u.a. eine falsche Kartonorientierung führen zu Störungen im Prozess und haben Maschinenstillstände und damit verbundene Kosten für die EPL zur Folge. Durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) mit Hilfe eines Computer-Vision-Systems, das es mit dem menschlichen Auge aufnehmen kann, wird eine zusätzliche Qualitätssicherung bei EPL eingeführt und der Maschinenbediener frühzeitig auf Fehler hingewiesen. Damit steigt die Qualität des Verpackungsvorganges und Fehlerkosten werden langfristig gesenkt.

Worin liegt die Schwierigkeit beim Verpacken von Zahnpastatuben?

Beim Verpacken der Tuben ist es unerlässlich, dass die Versandkartons in der richtigen Lage in die Maschine eingelegt werden. Die Kartons haben dazu in bestimmten Ecken kleine Nasen, welche in der richtigen Orientierung in die Maschine eingelegt werden müssen. Im Stress des Produktionsalltages kann es dazu kommen, dass ein Karton versehentlich falsch eingelegt wird. Dies führt dazu, dass die Tuben beim Kunden nicht richtig aus dem Karton gegriffen werden können und somit an EPL retourniert werden. Im schlimmsten Fall geht beim Einführen der Tuben in die Kartons etwas schief und die Anlage stoppt oder erleidet Schaden.

Wie kann Künstliche Intelligenz zur Qualitätssicherung beitragen?

Ziel des Projektes war es, ein System zu schaffen, welches die Lage der Kartons beim Einlegen in die Maschine überwacht und bei einem falsch eingelegten Karton eine Warnung ausgibt, damit der Maschinenbediener den Karton in der richtigen Orientierung nochmal einlegen kann. Die erste Schwierigkeit lag darin, in die bestehende und laufende Maschine eine Kamera orthogonal über der Kartonzuführung anzubringen, so dass die verschiedenen Kartonvariationen gut im Bild zu sehen sind. Hierbei musste besonders darauf geachtet werden, dass die Packkraft durch die angebrachte Hardware nicht in ihrer Arbeit behindert wird. Nach der erfolgreichen Montage der Hardware, mussten dann genug Daten (Bilder) für ein KI-Modell generiert werden. Um den Produktionsbetrieb nicht unnötig zu behindern wurde dazu ein turnusmäßig stattfindender Wartungsstopp der Anlage ausgenutzt. Dabei wurden circa zehn verschiedene Kartonarten, was ein möglichst repräsentatives Portfolio der verfügbaren Kartons bei EPL Deutschland darstellt, in allen möglichen Kombinationen und Reihenfolgen händisch durch die Kartonzuführung geschoben. Ziel hierbei war es, eine möglichst große Bandbreite an Daten für das KI-Modell zu generieren. Insgesamt wurden ca. 1300 Einzelbilder aufgenommen. Die Güte und Diversität der aufgenommenen Daten sind dabei der wichtigste Faktor für ein aussagekräftiges KI-Modell.

Die nächste Herausforderung für die HTW-Wissenschaftler:innen bestand darin, ein KI-Modell zu kreieren, welches die Lage der Kiste mit 99% Genauigkeit robust erkennen kann und nahezu in Echtzeit (30 Millisekunden pro Einzelbild) ein Ergebnis liefert. Durch beengte Platzverhältnisse, kam erschwerend hinzu, dass die Inferenz auf einem sogenannten System-on-a-Chip (Nvidia Jetson Nano) stattfinden soll. Die HTW-Wissenschaftler:innen adaptierten dabei Verfahren aus der medizinischen Bildererkennung (bspw. für Röntgen- oder MRT-Bilder) und optimierten diese für die Lageerkennung von Versandkartons. Dabei wurde großen Wert auf Effizienz und Reaktionszeit gelegt. Durch die einschlägige Erfahrung der HTW-Wissenschaftler:innen im Bereich der industriellen Bilderkennung und anderen Projekten konnten letztendlich die Vorgaben erfüllt und das KI-Modell erfolgreich implementiert werden.

Die letzte Herausforderung lag in der visuellen Aufbereitung der Ergebnisse des KI-Modells für die Packkraft. Das Ziel war, der Packkraft schnell ein visuelles Feedback über die Richtigkeit der eingelegten Kartons zu geben. Dazu wurde ein Monitor im Sichtfeld der Packkraft angebracht, auf welchem das Livebild der Kamera übertragen wird. Durch ein deutliches Zeichen über dem Karton, wird jetzt sofort ersichtlich ob der Karton richtig eingelegt wurde.

Nach einem erfolgreichen Test des Systems während eines Wartungsstopps, ist es nun im Produktionsbetrieb im Einsatz und überwacht die Lage der eingelegten Kartons.

Drei relevante Schritte zur Umsetzung des Projekts

Der Projekterfolg

Durch die Zusammenarbeit zwischen HTW Dresden und der EPL Deutschland wurde ein neues KI-gestützten Systems zur Qualitätssicherung bei manuellen Tätigkeiten erschafft. Dieses unterstützt die Bediener:innen der Anlage dabei, frühzeitig Fehler zu erkennen. Assistenzsystem statt Automatisierung: Ein gutes Beispiel für die richtige Balance zwischen Kosten und Nutzen.

Das Interesse und die Bereitschaft der EPL Deutschland, die Potentiale von KI für seine Prozesse zu evaluieren und gemeinsam mit den Forscher:innen der HTW Dresden als Proof of Concept umzusetzen, hat die erfolgreiche Kooperation möglich gemacht.

Bei welcher Herausforderung können wir Sie unterstützen?

Der Transferverbund Saxony5 bietet Ihnen Know-How aus vielfältigen Fachbereichen der Wissenschaft. Unser Transferportal hilft dabei, die passenden Ansprechpartner:innen zu finden: https://transferportal.saxony5.de/.

Aufgrund hoher Produktvielfalt spielen Umrüstzeiten in der Fertigung eine wesentliche Rolle. Mit zunehmender Automatisierung der Qualitätsüberwachung erwächst hier ein weiterer Bereich in dem im Rahmen des Produktwechsels Einstellungen von Sensoren und Parametern vorgenommen werden müssen.Um die Akzeptanz derartiger Systeme in der Fertigung zu verbessern ist es deshalb unabdingbar, einfache, intuitive Systeme zu entwickeln, welche sich flexibel in den Produktionsalltag einfügen. Die entwickelte Lösung ist hierfür ein tolles Beispiel. Die Kooperation mit der HTW erlaubt uns aufbauend auf diesem Projekt weitere Anwendungsfelder zu erschließen.

veröffentlicht am 28.06.2021,

Veröffentlichungsdatum

28.06.2021

Zurück zur Übersicht
Eine gemeinsame Initiative von Innovative Hochschule, Bundesministerium für Bildung und Forschung und Gemeinsame Wissenschaftskonferenz GWK